18.05.2011 von Julius

Werkzeug – Made in Germany ?

Deutschland ist berühmt – auch für seine Werkzeuge auf höchstem Standard.

Nach Schätzungen aus dem Fachverband der deutschen Werkzeugindustrie setzt diese Branche jährlich weit über 3 Mrd. Euro um.

Das weckt Begehrlichkeiten nicht nur bei den internationalen Mitbewerbern, auch bei Personen und Unternehmen, die gern ein Stück von diesem Kuchen abhaben möchten. Manche von diesen sind allerdings nicht bereit, eigene Kapazitäten an Ingenieurkenntnissen,  wissenschaftliche Forschung und Werbung einzusetzen. Manche, und dies sind die schwarzen Schafe, nehmen sich einfach das deutsche Original, kopieren es und schreiben ihren Firmennamen auf die Verpackung. Manche machen es sich noch einfacher und schreiben auf ihre Produkte den Markennamen des deutschen Markeninhabers.

 

Das deutsche Recht nennt derartige Aktivitäten „Produktpiraterie“. Definitionen und Strafandrohungen findet man im Markengesetz (Bundesgesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen) aber auch im Geschmacksmustergesetz, dem Gebrauchsmustergesetz und dem Patentgesetz.

 

Schon bei der Besprechung bei einem großen und bekannten deutschen Werkzeughersteller, waren wir überrascht, mit welcher Dreistigkeit einige von diesen „schwarzen Schafen“ vorgehen.

 

Selbst auf internationalen Messen scheuen diese Firmen sich nicht, eindeutige Kopien als ihr eigenes geistiges Eigentum auszugeben.

 

tl_files/content/IMG 2 Markt Essen 17-11-11.jpg

Ein Trödermarkt in Essen - in der Mitte sehen sie ausgestellte gefälschte Werkzeugkoffer

(Fot: ARROWS Journalism)

 

Durch Fälschungen entsteht den einheimischen Unternehmen permanent ein erheblicher Schaden. Laut Studien des VDMA in den letzten Jahren sind die deutschen Unternehmen der Werkzeugindustrie zu 50 %(!) von Produktfälschungen betroffen.

Da allein dieser Industriezweig mehr als 22 Tausend Mitarbeiter beschäftigt, sind nicht nur Umsatz und Einnahmen der Firmen gefährdet, es sind vor allem auch Arbeitsplätze, die durch Profitgier und kriminelle Aktivitäten verloren gehen.

 

Ein besonders freches Verhalten zeigte ein Unternehmen aus China, das Werkzeuge eines berühmten Remscheider Herstellers kopierte und diese minderwertigen Kopien unter dem Label der Remscheider Firma illegal auf den Markt brachte.

 

Als Sonderedition 2010 getarnt wurde angeblich hochwertiges Werkzeug (hauptsächlich für die KFZ-Reparatur- und Wartungsbranche) angeboten. Der Verkauf wurde über dubiose Internetkanäle, -foren, über den Direktvertrieb und auf Trödel- und Gebrauchtwarenmärkten in Deutschland, den BeNeLux-Staaten, Frankreich und Spanien organisiert.

Neben der Chinesischen Firma als illegaler Hersteller waren vor allem Tätergrupierungen aus den Niederlanden tätig.

Schnell wurde im Norden von NRW Firmen gegründet oder ein Gewerbe angemeldet, teilweise mit falschen Dokumenten und schon war man bereit, absolut minderwertige Produkte gutgläubigen Kunden als „Schnäppchen“ zu offerieren.

 

Bei unseren Interviews mit betroffenen und geschädigten Kunden wurden uns diese minderwertigen Produkte gezeigt. Jeder Fachmann konnte bei der Handhabung dieser Werkzeuge schnell feststellen, daß Qualität wahrscheinlich das Letzte war, was die Fälscher im Kalkül hatten. Weder die Präzision noch die Werkstoffbeständigkeit entsprachen auch nur annähernd dem Original.

 

Wer nun glaubt, wir sprechen hier nur von einigen wenigen „schwarzen Schafen“, der irrt gewaltig! Dahinter stehen oft (fast) perfekt installierte Strukturen mit einem internationalen, teilweise globalen Hintergrund.

Im Falle des Werkzeugkoffers „Sonderedition 2010“ wurden nicht nur Norddeutsche Gewerbetreibende aus Holland europaweit tätig, auch Spanier, Chinesen und Deutsche im eigenen Land.

Es wurden Scheinfirmen für den Vertrieb und zum Waschen des schmutzigen Geldes in der Schweiz gegründet. Und einer der Inhaber besitzt ein wunderschönes Anwesen auf der Deutschen liebsten Urlaubsinsel im Mittelmeer.

 

Eine weitere Schadensgefahr, die leider auch durch viele deutsche Hersteller unterschätzt wird, ist jedoch der schnell eintretende Imageverlust beim eigentlichen Markeninhaber.

 

Wenn im Kundenkreis der Originalprodukte es sich erst einmal herumgesprochen hat, daß Fälschungen kursieren, daß Qualität nicht immer vereinbar ist mit diesem Markennamen, dann sind viele bereit, zu einer anderen, unbelasteten Marke zu wechseln.

Oft kann ein irreversibler Imageverlust einen größeren Schaden hervorrufen, als der Vertrieb geringerer Mengen von Fälschungen.

 

Ein weiteres Problem welches viele deutsche Unternehmen des Mittelstandes haben, ist die rechtliche Bewertung einer Fälschung oder eines Verstoßes gegen das Geschmacksmustergesetz und deren Umsetzung im täglichen Geschäft.

 

Viele Informationen über den Gesetzesverstoß gelangen überhaupt nicht zu den Behörden! Und wie soll der Zoll feststellen, ob eine Einfuhr rechtmäßig oder unrechtmäßig ist? Dies kann nur durch intensive Kooperation mit den betroffenen Herstellern bzw. Markeninhabern erfolgen.

 

Jeder Hersteller sollte dringend den Markt nach eventuellen Fälschungen beobachten und alle negativen Erkenntnisse den Behörden melden um diese somit in die Lage zu versetzen, unrechtmäßige Aktivitäten mit der Macht staatlicher Befugnisse zu unterbinden, in Deutschland und in der Europäischen Union.

Aber auch im weltweiten Handel sind die Markeninhaber den Fälschern und Plagiatoren nicht schutzlos ausgeliefert.

Seit dem 14. Juli 1967 sind mehr als 188 Länder (u.a. auch China) die Mitgliedschaft bei WIPO (World Intellectual Property Organization) eingegangen. Diese Weltorganisation, und seit 1974 auch Unterorganisation der UNO, hat mit seinen Richtlinien (WIPO-Urheberrechtsvertrag/1996 und Patent Law von 2000) die Grundlagen für eine internationale Sicherung von geistigem Eigentum geschaffen.

 

jj.

« Mr. K Wer braucht schon Viagra oder Cialis? »

Den Beitrag kommentieren

Wichtiger Hinweis: Kommentare werden moderiert, um die inhaltliche Qualität von Thinkstep hoch zu halten. Dadurch kann es zu Verzögerungen bei der Freischaltung kommen. Wir hoffen, Sie haben dafür Verständnis.

Kommentar von Schrauber47 |

Ich find den Artikel klasse! Hab auch solches Werkzeug gekauft und mich hinterher nur geärgert. War alles Schrott!
Denne müßte man richtig auf die Finger hauen!

Kommentar von Mirko |

Ja, stimmt! Aber richtiges gutes Werkzeug kostet halt auch richtig Geld!