14.08.2009 von Redakteur

Wer steckt dahinter?

Eine Fälscherbande in Polen (Teil 2)

Ein Bericht von JJ

 

 

Natürlich war uns klar, daß niemand der festgenommenen Personen etwas über die Hintermänner sagen konnte oder wollte. Trotzdem wagten wir den Versuch mit den überraschten, verunsicherten und nun in staatlichem Gewahrsam befindlichen Arbeitern ins Gespräch zukommen.

Alles was wir erfuhren war erschreckend.

Sie „wohnten“ dort bereits seit mehr als drei Wochen. Jedoch wenn wir hier von „wohnen“ reden, dann meinen wir in Wirklichkeit „eingepfercht sein“. Eine Frau und sechs Männer lebten, schliefen, aßen in zwei Räumen hinter der Produktionshalle mit gesamt kaum mehr als  28 Quadratmeter, einer improvisierten Gartendusche und einer Toilette, soweit man dies was wir dort sahen so nennen kann. Dann war da noch ein Tisch mit Stühlen und ein Kühlschrank halbwegs gefüllt mit polnischen Lebensmitteln sowie ein kleiner Elektroherd mit zwei Platten.

Ihnen war es nicht erlaubt, das Gebäude zu verlassen und so war ihre einzige abendliche Ablenkung nach getaner Arbeit ein Minifernseher.

Ihre Tätigkeit bestand darin, den als Rohware gelieferten Tabak zu zerkleinern (Feinschnitt) und daraus dann die Zigaretten herzustellen. Weder die hygienischen, noch die Produktionsbedingungen konnte man als sauber, geschweige denn als rein bezeichnen. Der Boden war übersäht mit dem Abfall und den Resten der Produktion. Staub und Dreck überall in der Fertigungshalle – auf den Maschinen, den Verpackungen für die Zigaretten und selbst auf den Behältern mit dem Feinschnitt. In einem Regal in der Ecke des Raumes standen zwei Mausefallen die ihre Aufgabe erfüllt hatten. Je eine tote Maus konnte man (noch) erkennen.

Auf die Frage, wer sie denn angeheuert hatte und wie sie hierher gekommen waren bekamen wir natürlich keine Antwort. Aber zu der Produktion erzählten sie doch das eine oder andere.

„Heute Marlboro!“ so Roman L, mit 59 Jahren der Älteste unter den Arbeitern und meinte damit, daß sie heute Marlboro-Zigaretten gefälscht hatten. Wir wollten wissen, wo den der Unterschied zu den anderen Marken wäre, die der CBS auch noch gefunden hatte? Roman antwortete im schlechten English: „Nur die Verpackung!“ und dann in Russischer Sprache: „Sonst alles gleich!“.

Wir schauten uns die noch unverarbeiteten Verpackungen an und lasen: „For duty free sale only“ - was sicher nur die halbe Wahrheit war, denn neben den Zollgebühren wurden auch alle anderen gesetzlichen Abgaben hierfür nicht entrichtet.

Wir fragten nun Roman wie hoch denn sein Verdienst sei. Er überlegte lange, ob er diese Frage beantworten sollte oder nicht. Dann sagte er zögerlich: „500, aber nur ich und Michailo! Die anderen weniger.“ 500? Euro, Dollar. „Nein, nein, natürlich Euro!“, so Roman, „für den Monat!“. Und dies bei einer Tagesarbeitszeit von 10 Stunden an 6 Tagen die Woche! Rein statistisch hat Roman, als „Großverdiener“ unter den dortigen Arbeitern, einen Stundenlohn von knapp 2 Euro. Und für den Eigentümer der illegalen Fabrik liegen die Personalkosten zur Produktion von 30 Mio. Zigaretten bei ganzen 7.500 Euro. Das ist gerade mal ein halber Cent je Schachtel! Aber dafür brauchen Roman und die anderen ja nichts für Kost und Logis bezahlen. Sehr großzügig von den Organisatoren! Nur dieses mal wird auch Roman keinen Cent bekommen, wie auch die anderen sechs Arbeiter. Denn der Monat war noch nicht um und die Fabrik behördlich „stillgelegt“!

 

Auf unserem Weg zu den Hintermännern der illegalen Fabrik waren wir jedoch mit unseren Gesprächen keinen Schritt weiter gekommen. Also trafen wir uns wieder mit unserer Quelle, um vielleicht hier mehr Informationen zu bekommen.

 

Alles was wir jedoch erfuhren war, daß er einer der Großen in diesem schmutzigen Geschäft sein mußte. Und unser Verdacht auf eine bestimmte Person, die wir bereits früher einmal getroffen hatten, wurde bestätigt als wir ein Vornamen erhielten: Waclaw!

 

Tage später trafen wir dann einen Informanten tief aus dem Sumpf dieses Schmuggelgeschäftes.

Wir waren in Slubice. Also kurz hinter der Grenze zwischen Deutschland und Polen. Frankfurt/O. war von hier aus gut zu sehen.

Unser Informant, der sich vom Straßenverkäufer zum Zwischenhändler hochgearbeitet hatte, erzählte uns dann mehr über den ominösen Inhaber. Es handelte sich wirklich um Waclaw D.! Was wir über ihm wussten war nicht viel. Herr D. ist bereits seit Ende der 80-er Jahre im Schmuggelgeschäft! Nicht nur Zigaretten. Auch Mineralöl, KFZ-Ersatzteile, Kaffee und Alkohol. Die Palette ist breit gefächert. Manchmal „nur“ geschmuggelte Originalware, meist aber gefälschtes Zeug. Ob „bester“ Französischer Cognac aus Georgischer (Fälscher-)Produktion, oder echter Russischer Qualitätswodka hergestellt in Polen aus medizinischem Alkohol, Wasser und ein paar chemischen Inhaltsstoffen. Für Herrn D. gibt es nichts, was man nicht fälschen kann. Selbst Markenwaschmittel ist nicht vor ihm sicher oder das Getränk mit dem Stier.

 

Im vergangenen Winter hatten wir Herrn D. auf einer Party in den Bergen der Hohen Tatra in Polen zufällig getroffen. Er feierte dort mit Freunden, „Mitarbeitern“ und Geschäftspartnern. Es floß viel Alkohol (natürlich nicht gefälscht!), es war laut und es war warm in der Berghütte. Also öffnete Waclaw D. ein Fenster. Als dieses Fenster jedoch immer wieder zufiel, nahm Herr D. einfach ein Bündel Geld aus der Innentasche seines Jacketts und steckte dies zwischen Fenster und Rahmen. Das Fenster hielt nun.

Sicher, er hätte auch etwas anderes nehmen können, aber alle sollten wohl sehen, daß Geld für ihn keine Bedeutung hat. Wie auch. Bei 800% Dividende!

Er verließ die Party zwei Stunden später. Das Geld klemmte noch immer zwischen Fenster und Rahmen....

 

Drei Wochen nach der polizeilichen Aktion des CBS gegen die illegale Fabrik des Herrn D. in Kuznica trafen wir erneut unsere Quelle. Diese berichtete uns, daß Waclaw D. den Verlust der Zigaretten, des Tabaks und der Maschinen eher gelassen hingenommen hatte.

„Die andere Produktion läuft ja schon“ soll D. gesagt haben!

Also werden wir wieder Vietnamesen sehen, die Zigaretten verkaufen.

 

Billig, natürlich!

 

 

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Kommentar von ein Raucher |

und wo bekomme ich jetzt meine günstigen Zigs ohne die Abzocke-Steuer her?

Kommentar von Mike |

Macht Dir mal keine Sorgen,"Raucher", die gibt's überall, auch ohne Steuer!

Kommentar von Jenny |

Hallo Mike,
und die anderen Zahlen dann Deine Steuern mit, oder?
Vielleicht denkst Du mal nicht nur an Dich!