08.09.2011 von Julius

Illegale Herstellung von Zigaretten - Wie ist die legale Zulieferindustrie involviert?

Due Dilligence - oder was davon noch übrig bleibt!

 

Viele Raucher, jeder Zollbeamte, jeder Besitzer eines Tabakgeschäftes kennt dieses Problem – der illegale Handel mit gefälschten Zigaretten!

Das diese Aktivitäten, meist durchgeführt von organisierten Kriminellen, mittlerweile einen Milliarden-Schaden durch Steuerausfälle hervorrufen, wissen auch die Beamten des Finanzministerium in Berlin.

Aber zur Herstellung von Zigaretten, ob nun legal oder illegal, benötigt man Ausgangsmaterialien! Neben vielen anderen Komponenten vor allem: Tabak, Papier in verschiedensten Formen, Filter und Folie. Und man benötigt, wenn man denn einen hohen Gewinn erzielen will (und darum tun es ja diese kriminellen Gruppen!), natürlich auch Fertigungsmaschinen.

Wie, so stellte sich thinkstep. die Frage, gelangen nun Kriminelle in den Besitz dieser Ausgangsprodukte und woher bekommen sie diese Maschinen?

Unsere über einen sehr langen Zeitraum durchgeführten Recherchen haben erstaunliches zutage befördert. Teile der legalen Zulieferindustrie sind, entgegen ihrer eigenen Aussagen, aktiv an diesem illegalen Geschäft beteiligt!

 

Legendiert und auch in Zusammenarbeit mit dem dt. Behörden haben wir versucht, alle diese oben benannten Zutaten zu erwerben oder zumindest die Möglichkeit des Erwerbs zu organisieren. Und es ist uns in allen Fällen gelungen.

 

Beginnen wir mit dem Hauptinhaltstoff der Zigarette – dem Tabak.

 

Es existieren hunderte von Tabakgroßhändlern auf der ganzen Welt. Sowohl in den Herstellungsländern, wie Brasilien, China, Indien und Pakistan und einige afrikanische Länder (vor allem Malawi und Simbabwe), als auch in vielen Ländern, in denen sich ein Großteil der Zigarettenproduktion abspielt (USA, EU, China, Türkei, Indien). Hauptakteure und dominierend auf dem internationalen Rohtabakmarkt sind vor allem die Konzerne Alliance One International (entstanden aus Dimon Inc. und Standart Commercial Corporation) und Universal Corporation. Beides sind US-amerikanische Unternehmen, die alle vier Großproduzenten von Zigaretten beliefern.

tl_files/content/Tabakprobe aus Goerlitz.jpg

 

Rohtabak - getrocknete, fermentierte und vorverkleinerte Tabakblätter

 

 

 

 

 

Neben diesen „Giganten“ des internationalen Handels mit Rohtabak (also getrockneten Tabakblättern verschiedenster Sorten) existieren jedoch auch viele kleinere und nicht so kleine Unternehmen, die ihr Geld mit dem An- und Verkauf von Rohtabak verdienen.

Unsere erste Aufgabe war es nun, von einigen dieser Großhändler Rohtabak (tobacco leaf) in einer Menge zu erwerben, die zur Produktion von mindestens 10 Millionen Zigaretten ausreichend wäre. Für diese Menge an Zigaretten ist, abhängig von der Herstellungsmaschine und der Produktionstechnologie, ein Minimum von ca. 800 kg notwendig. Die Angebote, die wir von verschiedenen Händlern bekamen, beliefen sich jedoch im Minimum auf 10t, 20t, 50t oder mehr an Rohtabak.

Wer nun glaubt, dass man nur von unbekannten Firmen in Afrika, Südamerika oder Asien den gewünschten Rohtabak bekommen könnte, der irrt!

Dar Ankauf von 25 Tonnen Rohtabak war so gut wie abgeschlossen und zwar innerhalb der EU!

So wäre es also ein Leichtes gewesen, Tabak aus Malawi in Belgien (Antwerpen, direkt aus dem Hafen) zu einem Preis von 1,5 bis 5 US-Dollar je Kilogramm zu erhalten von einem in der Branche sehr bekannten Tabakhändler zu kaufen. Das Verkaufsgeschäft und der Preis richteten sich nur nach der gewünschten Qualität des Tabaks, der Art (Burley, Virginia, Oriental, ...) und der geforderten Menge. Es wurden keinerlei Fragen nach der Verwendung, nach eventuell angemeldeten vorhandenen Markenrechten (Zigaretten) oder zu sonst irgendwelchen Details für die Verwendung des Tabaks gefragt.

Solange die Menge nur großgenug gewesen wäre, hätte eine Lieferung überall in der Europäischen Union erfolgen können.

Die erste Hürde hatten wir also geschafft.

 

Auf zur zweiten!

Der Anteil an Filterzigaretten am Gesamtzigarettenkonsum ist überwältigend. Somit war der Filter eine zweite wichtige Komponente, um deren Beschaffung wir uns bemühen mussten.

Jeder hat schon einmal dieses im Inneren weiße Mundstück gesehen, welches hauptsächlich aus Zellulose-Azetat besteht und verschiedene giftige Bestandteile des inhalierten Tabakrauches anteilig zurückhalten soll.

Einer der weltweit größten Hersteller dieser Filter befindet sich ebenfalls in der EU, in Italien.

Nach anfänglichen Schwierigkeiten war es auch hier unproblematisch, eine Bestellung, ausreichend zur Herstellung von mehr als 10 Millionen Zigaretten zu platzieren.

Erst nachdem wir dann die Lieferung dieser Filter erhalten hatten, wurden wir per Email darum gebeten, durch eine Erklärung zu versichern, daß wir keine illegalen Produzenten beliefern.

Wir setzten unsere Unterschrift auf das Formular - das war es.

Jetzt waren wir also vertrauenswürdig!

Wer wir sind und was wir mit den Filtern tun werden hatte uns kein Verantwortlicher dieser Firma vor der Lieferung gefragt. Aber man hat uns schon um Informationen gebeten: Wie groß den die geplante Einkaufsmenge in Zukunft sein werde. Man wollte ja vorbereitet sein! Eine Anfrage für ein Interview zu diesen Vorkommnissen blieb unbeantwortet, auch auf Nachfrage.

 

Neben einigen anderen Komponenten die zur Fertigung der Zigaretten notwendig sind, wie z.B. Leim, Verpackungsfolie und Aufreißbänder und deren Beschaffung überhaupt kein Problem darstellte, stand nun nur noch der Ankauf von Zigarettenpapier, oder besser Fein- bzw. Spezialpapier auf der Tagesordnung.

 

Die dritte Hürde

 

Auch hier finden wir sehr große Unternehmen im Europäischen oder im Anglo-Amerikanischen Wirtschaftsraum. Einer der bekanntesten und umsatzstärksten ist die Firma TANNPAPIER in Österreich.

Erstaunt waren wir, mit welcher Akribie und Intensität diese Firma sich um den Bereich Due Diligence bemühte. Sicherlich auch begründet durch die Zusammenarbeit mit den Großen der Branche (z.B. B.A.T. und Imperial Tobacco) konnten wir, ohne den Nachweis einer behördlichen Betriebserlaubnis zu Herstellung von Zigaretten, kein „Geschäft machen“.  Dennoch verfehlten wir das Ziel nicht, alle Komponenten zur Zigarettenfertigung zu „organisieren“. Wir mußten uns weiter umsehen und Im schlimmsten Fall hätten wir diese letzte Komponente dann eben über einen Großhändler zu einem etwas höheren Preis erworben. Aber dies war nicht notwendig.

tl_files/content/Zigarettenpapier in der Maschine.JPGSowohl ein sehr bekanntes Chinesisches Unternehmen, dessen Name wie aus vergangenen Zeiten klingt, als auch Hersteller in Vietnam waren bereit, uns die notwendigen Mengen zu verkaufen. Weitere Angebote erhielten wir auch von Europäischen Importeuren / Großhändlern, sowohl in Griechenland als auch außerhalb der EU in der Türkei. All diese Anbieter hätten uns außerdem mit dem „Tipping“, also dem Spezialpapier zur Ummantelung des Filters, versorgt.

Als letzte Komponente stand nun nur noch die Beschaffung der Verpackungen an. Wir wollten ja bekannte Marken großer Hersteller fälschen, um diese dann einfacher (da bekannt!) verkaufen zu können. Wir brauchten somit Kartonagen, deren Beschaffung völlig unproblematisch ist, und eine Druckerei, die uns das notwendige „Outfit“ für unsere Schachteln und Stangen erzeugt. Aber auch hier konnten wir uns, soweit wir bar bezahlten, kaum über fehlende Angebote  beklagen. Ob nun in Tschechien, Polen, der Ukraine, in China oder in Bosnien-Herzegowina, in Bulgarien oder Rumänien – wir sollten nur sagen, wie die Schachtel auszusehen habe und schon hatten wir ein Angebot auf dem Tisch. Frei Haus oder ab Druckerei.

Erstaunlich war jedoch auch die Tatsache, daß man uns bereits gedruckte Verpackungen zum Kauf anbot! So für die bekannte Marke Regal, 60.000 sogenannte Cut-Outs, ausreichend zum Verpacken vom mehr als 12 Mio. Zigaretten. Der Preis: 3,3 Eurocent je Stück!

 

Alle von uns erworbenen Komponenten zusammen, ausreichend zur Herstellung von mehr als 10 Mio. Zigaretten, hätten ein Investitionsvolumen von ca. 120.000 Euro nicht überschritten.

Der Verkaufswert dieser Zigaretten, welche wir nun hätten fälschen können, stellte auf dem offiziellen Markt jedoch eine stattliche Summe von 2,5 Mio. € dar! Und selbst auf dem illegalen oder grauen Markt wäre nach unseren Erkenntnissen noch ein Erlös von mindestens 1 Mio. Euro zu realisieren gewesen. Steuerschaden: knapp 1.900.000 € plus der entgangenen Umsatzsteuer von 19%!

Natürlich haben jetzt einige Leser festgestellt, dass eine weitere Voraussetzung fehlt, um das schöne Geschäft abwickeln zu können.

Man braucht ja, um die Zigarette zu produzieren, auch eine Fertigungslinie, bestehend aus einer Aufbereitungsanlage für den Tabak, einen Herstellungsmaschine für die Zigarette (den sogenannten „Maker“) und natürlich Maschinen für den Bereich der Sortierung und Verpackung.

Dies klingt nun erst einmal sehr umfangreich. Beim näheren Hinsehen stellten wir jedoch fest, dass wir uns nur die Segnungen des WWW zu nutze machen mussten, um auch hier relativ schnell und günstig fündig zu werden.

 

Komplette Fertigungslinien gibt es zwar nicht wie Sand am Meer, aber immerhin in so einer ausreichenden Anzahl, dass ein eventueller Verlust durch eine Beschlagnahmung (Zoll, Polizei) sehr schnell wieder ausgeglichen werden kann.

Je nach Alter und Kapazität neuer, gebrauchter oder wiederaufgearbeiteter Fertigungsanlagen konnten wir im Preisbereich zwischen 70,000 und mehr als 1.000.000 € wählen. Lieferung und Installation vor Ort!

Produzenten, Großhändler und „Berater“ aus der Schweiz, aus Dubai, Indien und Pakistan, China und sogar aus Deutschland standen (mehr oder minder) Schlange, um uns die entsprechende Technik zu verkaufen.

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Eine Schneidemaschine zur Herstellung von Feinschnitt aus China

 

Und selbst wenn wir eine ziemlich moderne Fertigungslinie mit einer Produktionskapazität von mehr als 8.000 Zigaretten pro Minute erworben hätten (der Preis lag bei ca. 780.000 US$), könnten wir bereits mit der ersten Lieferung (ein kompletter LKW, also ca. 50.000 Stangen Zigaretten) einen erheblichen Gewinn erzielen.

Bedenkt man nun, dass einige der illegalen Produzenten gefälschter Zigaretten mehr als 4,7 Mrd. Zigaretten über einen langen Zeitraum hergestellt haben, dann dürfte auch dem Letzten klar sein, dass die notwendigen „Investitionen“ im Verhältnis zu den erzielten Gewinnen lächerlich gering sind.

Aber nun wir wissen auch von der direkten Beteiligung schwarzer Schafe der legale Zulieferindustrie und dass diese kräftig mitverdienen. Leider!

Am Ende zahlen wir alle (jedoch zumindest die Raucher) dieses falsche Spiel!

Bei mehr als 20 Milliarden gefälschter, geschmuggelter und unversteuerter Zigaretten jährlich allein in Deutschland entsteht dem deutschen Fiskus ein direkter Steuerschaden von mehr als 3,6 Mrd. Euro!

ARJ

 

 

Anmerkung: Belege und Dokumente zur beweiskräftigen Sicherung der oben getätigten Aussagen liegen der Redaktion vor!

« Schlechter Rauch auf der Reeperbahn Illicit Whites - Die neue Macht auf dem Zigaretten-Schwarzmarkt »

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Kommentar von unbekannt |

Hallo,
Fälschungen wird es immer geben. Und wie soll eine Firma erkennen, ob man an einen Fälscher als Kunden hat oder ein legales Unternehmen?
Letztendlich steht bei den meisten nur der Umsatz im Fokus.

Antwort von Jörg Julius

Eine Fälschung (Nachahmung!) oder ein Plagiat ist ein, wie wir finden, besonders perfider Diebstahl geistigen Eigentums!

Kreativität, Mut und auch finanzielles Engagement einer anderen Person, eines anderen Unternehmens werden ohne Rücksicht durch die Fälscher vereinnahmt und als das Eigene verkauft. Hier ist nicht nur der finanzielle Verlust zu bewerten, sondern und auch vor allem der moralische Schaden, der dem eigentlichen Eigentümer zugefügt wird.

Unsere Erfahrungen haben gezeigt, daß es sehr wohl viele Unternehmen gibt, die genau darauf achten an wen sie ihre Produkte verkaufen. Auch wenn den Fälschern mit dieser Sorgfalt das Leben etwas schwerer gemacht wird, werden Fälschungen nicht verschwinden. Aber sie können in vielen Fällen, auch durch den Kunden, leichter erkannt werden. Schon allein dies würde das Ausmaß von Fälschungen reduzieren.

Die Redaktion

Kommentar von Kai |

Gewinnoptimierung! Das ist das Schlagwort!! Plus Dividende und schon spielt es keine Rolle mehr, woher oder von wem ein Produkt kommt!!!
KK

Kommentar von Nikola |

Do you redeem foil for cigarettes?