09.10.2018 von Jörg Julius

Der Hambacher Wald – Demokratie oder RWE

Wie RWE (vorerst) in die Knie gezwungen wurde

Der Hambacher Forst nahm ursprünglich einmal eine Fläche von 4.500 ha ein!

Dieser große (Ur-)Wald, immerhin existiert er schon seit mehr als 12.000 Jahren, konnte jedes Jahr seines Bestehens fast 1.800 Tonnen Schmutz und Staubpartikel aus der Luft filtern und mehr als 4.500 Tonnen CO2 binden!

Jede einzelne Tonne Holz in diesem Wald „produziert“ durchschnittlich, so ganz nebenbei, 541 kg sauberes Wasser (H2O) und 1.392 kg Sauerstoff.

Noch 2016 hatte der Hambacher Forst eine Größe von wenigstens 800 ha! Heute, 2018, nach 40 Jahren Tagebau, sind nur noch knapp 200 ha Wald übrig!

Kaum mehr 5 Prozent der ursprünglichen Fläche!

Der den Wald und Ortschaften fressende Tagebau Hambach fördert jährlich ca. 40 Mio. Tonnen Braunkohle. Diese wird in den RWE-Kraftwerken Niederaußen, Neurath, Goldenberg und Frimmersdorf verstromt. RWE erzeugte 2016 damit, neben der elektrischen Energie, in seinen Kohlekraftwerken eine CO2-Ausstoß von mehr als 100 Mio. Tonnen, bließ 65.740 Tonnen NOx und NO2 in die Luft, schickte noch knapp 34 tausend Tonnen Schwefeloxide hinterher. Die Lungen der Bundesbürger wurden mit mehr als 1.300 Tonnen Feinstaub belastet. Von den anderen schädlichen Stoffen wie Quecksilber, Arsen, Nickel, Blei, Chrom, Kupfer und Zink die außerdem bei der Stein- und Braunkohleverbrennung freigesetzt werden gar nicht zu reden.

In einem ersten Statement sprach die RWE-Führung von einem durch den Rodungstopp zu erwartenden Verlust für das Unternehmen in einer niedrigen dreistelligen Millionenhöhe pro Geschäftsjahr. Für eine Stilllegung des Hambacher Tagebaues auf Grund eines generellen Rodungsverbotes für den Hambacher Wald prognostizierte Rolf Martin Schmitz, CEO der RWE AG, während der Talkshow „Maybrit Illner“ am 21. Sep 2018 einen Verlust für RWE von 4 bis 5 Mrd. Euro.

Die Gretchenfrage lautet also: 200 Hektar Wald leben lassen oder 4 bis 5 Mrd. Euro Verlust einfahren?

Aber ist dies wirklich die Gretchenfrage?

Der Hambacher Wald ist zu einem Symbol geworden. Ein Aufruf endlich dies zu tun, was viele Bundesregierungen vorher schon längst hätten tun sollen: Einen vernünftigen und zügigen Ausstieg aus der Kohleverstromung zu gestallten und damit die CO2 - Emmissionen deutlich und anhaltend zu reduzieren!

Wahr ist jedoch, dass es nicht nur um die Rettung eines schützenswerten Naturgutes geht oder darum, endlich den galoppierenden Klimawandel wenigstens auf ein erträgliches Niveau zu begrenzen. Wahr ist, dass wir auch an die tausende Beschäftigte in den Tagebauen denken müssen, sowohl im Niederrheinischen Braunkohlenrevier als auch in der Lausitzer Kohleregion im Osten unserer Republik.

Hier wären die großen Unternehmen und vor allem die Volksvertreter in Regierung und Bundestag gefordert, zukunfsträchtige Voraussetzungen zu schaffen, damit mit neuen, modernen und umweltfreundlichen Technologien sichere Perspektiven für die durch eine Energiewende ihrer Arbeit beraubten Mitarbeiter bereitgestellt werden.

Aber weder von der Industrie noch den politische Verantwortlichen werden vernünftige, gesamtgesellschaftlich tragfähige Konzepte auf den Tisch gelegt.

Und deshalb irrt der NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) wenn er meint: „Diese selbsternannten Umweltschützer wollen nicht Bäume retten, sondern den Staat abschaffen“.

Was diese Aktivisten von „Ende Gelände“, „Hambi bleibt!“, „Aktion Unterholz“, und viele tausend andere von BUND, Greenpeace, von politischen Parteien und mehr als 50 Tausend friedlichen Demonstranten am vergangenen Samstag wollten und wollen, ist nicht die Abschaffung des Staates. Ganz im Gegenteil! Die Demonstranten wollen einen Staat, dessen gewählte Vertreter verantwortlich mit der Natur, sozial gerecht mit unserer Gesellschaft und fair mit unserem Planeten umgehen.


 „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet Ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“


 

Großdemo am 6. Oktober 2018 am Hambacher Wald

Bereits dreimal hat sich die Bundeskanzlerin mit dem Amtseid verpflichtete, Schaden vom deutschen Volk zu wenden. Es stellt sich nur die Frage, warum sie dies denn nicht tut?

Oder geht der Ausstoß von 900 Millionen Tonnen CO2 jährlich schadlos an den Bundesbürgern vorbei? Beeinträchtigen knapp 150 Mio. Tonnen Schwefeloxide allein aus den Schloten der Kohlekraftwerke nicht die Gesundheit jedes Einzelnen in Deutschland?

Eine Energiewende ist ein gesamtgesellschaftliches Projekt und betrifft nicht nur die Industrie, sondern und vor allem die Bürger. Es darf nicht das Ziel sein, solchen Giganten wie RWE und EON ihre Dividenden zu sichern. Ziel muß es sein, im Interesse der deutschen und der Europäischen Bevölkerung, ja im Interesse der gesamten Erde unseren ökologischen Fußabdruck so weit zu verkleinern, dass unsere Kinder, Enkel, Urenkel und alle nachfolgenden Generationen ohne Hunger und ohne Atemmaske die Schönheit unserer einzigen Erde bewundern können. 

Jeder einzelne von uns ist mit seinem Tun und seinem Handeln mitverantwortlich für die Zukunft unserer Erde. In Kleinem wie auch im Großen.

Und wenn die Verantwortlichen in der Regierung und den Volksvertretungen nicht in der Lage sind, hierfür die vernünftigen Rahmenbedingung zu gestalten (wie man am Diesel-Kompromiss erkennen kann), dann bleibt es unverzichtbar, ja verpflichtend für jeden, Demokratie auch aktiv zu leben – ob nun im Hambacher Wald oder anderswo!

JJ.

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