07.03.2008 von Jörg Julius

Die Wege der Zigarette sind unergründlich (?)

Wie man an den billigen Rauch kommt

Wie viele unversteuerte Zigaretten in Deutschland und der Europäischen Union gekauft und geraucht werden, wird wohl niemals jemand genau sagen können

Fakt ist jedoch, daß die Anzahl stetig im Steigen begriffen ist.

Schätzungen und Untersuchungen sprechen von 68 Mrd. Stück (!) in der gesamten EU allein im Jahr 2007.

Wir haben versucht die verschiedenen Wege der Konsumenten zu den schwarzen Glimmstengeln zu finden. Und siehe da, es war weder schwer, noch war es kritisch.

 

Überall findet man Hinweise in unserem Land, die Tabaksteuer zu umgehen. Manchmal beim Kollegen in der Firma vielleicht oder beim Nachbar um die Ecke. Auch der eine oder andere Sportskamerad im Verein weiß, wo man „günstige“ Zigaretten kaufen kann. Manchmal direkt bei ihm.

Ganz offen und unverblümt sieht man die nicht offiziellen Händler in Berlin und im Bundesland Brandenburg. Gleich neben dem Supermarkt oder am S- oder U-Bahnhof.

An den Grenzen zu Polen und der Tschechischen Republik erkennt man schon von weiten die Hinweise, die uns auf die Asia Markets lotsen um hier günstig, auch Zigaretten, zu kaufen.

 

Aber wer mit der modernen Zeit geht, sich ein wenig auskennt, dar kann auch im WWW problemlos hunderte von Anbieter finden, die mit „super“ Konditionen werben und Ersparnisse von teilweise mehr als 30 € offerieren.

 

Wir sind all diese Wege gegangen um herauszufinden, ob Angebot und Realität übereinstimmen.

 

Was haben wir nun auf unseren Wegen erlebt?

 

Die meist Vietnamesischen Händler in Berlin und Umgebung verkaufen uns als günstig, was, mit wenigen Ausnahmen, nicht so günstig ist. Zumindest für die Gesundheit der Konsumenten – Fälschungen! Oft in sehr minderer Qualität, ohne irgendeine Kontrolle im Produktionsprozess, mindere Tabakqualität und „Zutaten“, über die man lieber nichts wissen möchte, werden hier Produkte geraucht, die die Gesundheit der Käufer weit über den an sich schon ungesunden Tabakkonsum hinaus belasten.

Aber wir finden bei diesen Händlern auch Zigaretten, die legal in anderen Ländern hergestellt und über dubiose Wege nach Deutschland und in die gesamte EU geschmuggelt werden. Z.B. die Marke Jin Ling. Gelb und mit dem Ziegenbock auf der Schachtel wirkt diese fast wie die bekannte Marke Camel der Firma Reemtsma (Imperial Tobacco/RJR). Produziert wird sie in Königsberg, der russischen Enklave an der Ostsee, im Werk der Firma BTF (Baltitschnaja Tabatschnaja Fabrika). Von hier aus geht diese Marke in viele Länder der Erde, meist nicht legal. Dies geschieht mit der Hilfe von Russischen, Polnischen, Englischen und vielen anderen legalen und illegalen „Großhändlern“ (übrigens auch aus Deutschland), die Jin Ling nutzen, um schnell, viel Geld zu machen.

Meist zu einem Preis von unter 25 € auf dem schwarzen Markt gehandelt, verdienen die Beteiligten (Großhändler, Transporteure und Endverkäufer) oft mehr als 1 Mio. € pro Container (ca. 10 Mio. Zigaretten)!

Dies ist also ein lukratives Geschäft, zumindest für die Schmuggler und Dealer! Der Staat und somit alle Steuerzahler verlieren jedoch dabei. Und nicht zu gering! Jeder geschmuggelte und verkaufte Container in Deutschland lässt das Steueraufkommen um mehr als 1,5 Mio. € schrumpfen.

 

Aber genauso sieht es mit den günstigen online-Lieferungen aus.

Auch dies haben wir „probiert“ und uns eine Stange Zigaretten aus Moldawien schicken lassen.

Als „Geschenklieferung“ kaschiert und zollfrei wurde uns die Stange per Post zugesandt. Preis je 200 Zigaretten (10 Schachteln): 23 US$! Also gerade mal die Hälfte des Preises in Deutschland.

 

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Wir haben natürlich die Behörden (Zoll) informiert und die Stange Zigaretten abgeliefert.

Die auf dem Paketzettel (siehe Abbildung) benannte Absenderadresse ist gefälscht und nicht existent. Unsere Recherchen haben dann ergeben, daß hinter diesem Anbieter im Internet einmal mehr (und nicht sehr verschachtelt oder versteckt) die Moldawische Firma Sheriff steht.

Diese, durch die ehemaligen Geheimdienstleute Kazmaly und Gushan in den 90-ern des vorigen Jahrhunderts gegründete Firma, zählt zu den größten des Landes und wird, nach offiziell unbestätigten Informationen, durch den ehemaligen Präsident der sich abgespaltenen Republik Transnistrien, Igor Smirnov, geleitet.

 

Nach Informationen, die wir aus Kishinev, der Hauptstadt Transnistriens erhalten haben, existieren hunderte dieser Firmen, die über die verschiedensten Internetplattformen hauptsächlich illegal Zigaretten in das Europäische Ausland aber auch in die USA versenden. Und dies tagtäglich!

Wenn wir nun den Versuch einer ganz groben Quantifizierung der jährlichen Lieferungen an Hand eines Minimal - Beispiels versuchen, dann könnten wir folgendes errechnen:

100 Firmen senden 100 Stangen (à 10 Schachteln) an je 200 Tagen des Jahres in das westliche Ausland. Dies ergibt immerhin ein Gesamtmenge von 400 Mio. Zigaretten. Diese dann unversteuert gerauchten Zigaretten würden in Deutschland einen Steuerschaden von mehr als 60 Mio. Euro hervorrufen. Erhöht man nun die Anzahl der Firmen auf 500 und die versandten Päckchen auf 200 pro Tag, dann ....... Natürlich wäre dies nur spekulativ, aber doch wohl näher an der Wahrheit!

Nun ist mit den Zigaretten das Portfolio bei Leibe noch nicht erschöpft! Nein, auch generische und leider auch gefälschte Medikamente und Wirkstoffe (z.B. Viagra, Cialis) werden auf diese Art und Weise vertrieben.

Sheriff betreibt übrigens auch einen Internet- und Telekommunikationsanbieter.

Und einen Fußballverein und zwei Großbäckereien und eine Kette von Tankstellen, Supermärkte, TV-Sender – und, ach so: Sheriff ist auch der einzige Händler von Mercedes-Benz.

JJ

 

 

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