22.01.2016 von Redakteur

Track & Trace

– Ein Werkzeug gegen den Schmuggel oder nur „Schattenboxen“?

Am gestrigen Donnerstag fand im Maritim Hotel Arte in Berlin ein Workshop zu diesem Thema statt.

Der Behördenspiegel hatte neben einigen Vertretern der Medien vor allem Mitarbeiter und Vertreter nationaler und ausländischer Zoll- und Polizeibehörden eingeladen.

Die Zielstellung war wohl die Vorstellung des Track & Trace - Systems Codentify, welches durch die DCTA den Behörden und der Tabakindustrie als Werkzeug für transparentere und nachvollziehbare Lieferketten an die Hand gegeben werden soll.

Die WHO Framework Convention on Tobacco Control (WHO FCTC), deren Absicht es ist, nicht nur auf die Gefahren des Tabakkonsums weltweit aufmerksam zu machen , sondern auch Richtlinien zum Umgang mit Tabakprodukten vorzugeben, beschäftigt sich natürlich ebenfalls mit der Problematik des illegalen Handels mit Zigaretten oder anderen Tabakprodukten.

Mit der Tabakproduktrichtlinie (TPD) der Europäischen Kommission werden Teile der WHO FCTC umgesetzt und die Mitgliedsländer der EU dazu verpflichtet, diese in nationales Recht umzusetzen.

Sowohl in der FCTC als auch in der TPD finden wir das sogenannte Track & Trace – Programm, dessen Grundlage im WHO-Anti-Schmuggel-Protokoll zu suchen ist.

„Track & Trace“ soll dazu dienen, ein weiteres Instrument gegen den internationalen Schmuggel (nicht nur) von Zigaretten in den Händen der Behörden zu sein.

Wie stellt sich nun die EU Kommission dieses Werkzeug vor?

Mit der Hilfe einer (fälschungssicheren) Kennzeichnung von Zigarettenschachteln sollen unabhängige Kontrollorgane Daten sammeln über die Produktion (Wann, Wo, Welche Maschine), den Produktnamen, den geplanten Vertriebsweg der Schachtel (In- und Ausland) und letztendlich den tatsächlichen Verlauf des Absatzweges der gekennzeichneten Zigaretten.

 

„Codentify“

Unter diesem Namen wurde durch die DCTA, eine Vereinigung der größten nicht- chinesischen Hersteller von Zigaretten, unter der Ägide der Transcontag AG in Zürich, eine Technologie entwickelt, welche genau die oben genannte Zielstellung realisieren soll.

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Auf jeder Zigarettenschachtel soll in Zukunft ein fälschungssicherer Code für die Nachverfolgung und die Bestätigung der legalen Herstellung aufgedruckt werden

 

Nun ist Überwachung und Rückverfolgung (Track & Trace) weder ein neuer Slogan noch eine unbekannte Technologie. Sowohl in der Pharmaindustrie als auch in vielen anderen Bereichen der Logistik und des Vertriebes werden derartige Systeme eingesetzt. Die meisten von uns kennen die Online-Sendungsverfolgung bei den großen und kleinen Fracht- und Postunternehmen.

In all diesen Fällen soll Track & Trace auf der einen Seite die Unternehmen in die Lage versetzen, lückenlos die Sendungen verfolgen zu können und, auf der anderen Seite, uns, den Kunden, die Möglichkeit eröffnen, online und up-to-date den Verlauf des Transport nachzuvollziehen um jederzeit zu wissen, wo denn unser Paket gerade ist.

Einige Fakten lassen jedoch Zweifel aufkommen an der Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit eines Track-and-Trace-Systems hinsichtlich der Verhinderung oder Eingrenzung des Schmuggels von Zigaretten.

Erstens:

In der TPD der EU wird eindeutig ein UNABHÄNGIGER Verwalter der durch Track & Trace gesammelten Daten gefordert. Derzeit existiert jedoch weder in der EU noch in Deutschland dieser unabhängige Datenverwalter. Innerhalb der Bundesregierung (Finanz-, Gesundheits- oder das Wirtschaftsministerium) wurde bisher keine unabhängige Stelle benannt. Und wenn, entsprechend der EU-Kommission, die TDP noch 2016 in nationales Recht umgewandelt werden soll, dann müßte eigentlich wenigstens dieses Problem bereits geklärt sein.

 

Zweitens:

Wenn man Codentify (oder auch jedes andere Track-and-Trace-System) wirksam nutzen will, dann muss es Bestandteil der täglichen Arbeit der Zollfahnder auf der Straße sein. Während der Kontrollen vor Ort oder bei anderen Verdachtsmomenten sollte ein Beamter des Zolls jederzeit in der Lage sein, nachzuprüfen, ob zum einen die Zigaretten in einer Lieferung wirklich Originalprodukte sind und zum anderen, ob diese Zigaretten den vorbestimmten und somit richtigen Weg nehmen. Mit einem derartigen permanent anwendbaren Werkzeug wären die Zöllner in der Lage, einen Verdacht zu untermauern oder auszuräumen.

Spricht man jedoch mit den Kollegen, dann bezweifeln viel, dass ein derartiges System schon aus Datenschutzgründen je zum Einsatz kommen wird.

 

Drittens:

Um eine wirklich Umfassende Überwachung des Warenstrom vornehmen zu können, müssten jedoch ALLE an der Herstellung, dem Transport und der Logistik sowie am Verkauf beteiligten Parteien weltweit verpflichtet werden, adäquate Technik (Printer, Scanner, Server, Online-Datenübermittlung) vor Ort einzusetzen. Alle, also angefangen bei den großen und ganz kleinen Herstellern, über die Spediteure hin zu den Großhändlern und weiter bis zum Kiosk an der Ecke oder dem Zigarettenautomaten neben an.

Sowohl das derzeit fehlende Equipment als auch die nicht unerheblichen Kosten lassen hier doch erhebliche Zweifel aufkommen.

 

Viertens:

 

Der größte fiskale Schaden im internationalen illegalen Handel mit Zigaretten entsteht der Bundesrepublik durch das Handeln erfahrener und gut vernetzter Gruppen von Kriminellen (Organisierte Kriminalität). Davon zeugen nicht nur die Mengen an Schmuggelzigaretten sondern auch die zur Kenntnis und zur Verurteilung gelangten Straftaten in Deutschland und anderen Ländern der EU. Davon zeugt auch die absolut geringe Menge an beschlagnahmten illegalen Zigaretten in Dt! Bei (geschätzt) 9 Mrd. illegal gerauchten Zigaretten nur 56 Mio. Stück Beschlagnahmungen. Dies entspricht einem Prozentsatz von 0,6%)

Wenn man dem Projekt „SUN“ von KPMG Glauben schenken möchte (viele sehen jedoch einen erheblichen Unterschied der realen Mengen an unversteuert gerauchten Zigaretten zu den Zahlen der KPMG – Studie)  dann wird in Deutschland „lediglich“  noch jede 5-te Zigarette (19% des Gesamtmarktes) unversteuert geraucht und, zumindest laut KPMG, ist ein Großteil dieser Zigaretten (knapp 56%) legal eingeführte und kommt meist aus der EU selbst. Somit verbleiben 10% aller gerauchten Zigaretten als sogenannte C&C (Contraband and Counterfeitet and Illicit Whites).

Nun sollte man jedoch bedenken, daß diese verbleibende Menge illegaler Zigaretten nicht nur aus den sogenannten Contrabands (also geschmuggelten Originalzigaretten, die von einem umfassenden Track & Trace – System erfasst werden würden) besteht, sondern auch aus den Illicit Whites (legale Zigaretten ohne Zulassung im dt. Tabakmarkt – die bekannteste Zigarette ist wohl die Jin Ling) und den schlimmsten aller illegalen Zigaretten, den Fälschungen, dann kann sich jeder gut vorstellen, daß Track & Trace nur noch einen sehr kleinen Teil der illegal gerauchten Zigaretten betreffen wird.

Es sei also die Frage erlaubt, ob hier nicht wieder nur Aktionismus betrieben wird! Der löbliche Fakt, daß sich die Industrie mit Track & Trace um weitere Transparenz bemüht geht damit verloren.

 

Der Vertreter des HMRC (Britischer Zoll) wies während der Veranstaltung ganz konkret auf die Probleme der Gesetzgebung zum zollfreien Warenverkehr innerhalb des europäischen Schengenbereichs hin und benannte dabei die unausgereiften Regelungen des sogenannten EMCS- und T1-Verfahrens (Grenzüberschreitende Warenverkehr).

 

Vielleicht sollten sich die Herren und Damen in Brüssel mehr mit dieser Problematik beschäftigen. Die äußerst geringen Mengen an beschlagnahmten illegalen Zigaretten (in 2015 whrsl. nur 56 Mio. Stück!) deuten des Weiteren daraufhin, daß die zuständigen Behörden (Zollorgane) sowohl kapazitiv als auch technisch heillos überfordert sind. High-Tech-Kriminalität im Bereich der OK sollte man auch mit personell gut ausgestatteten High-Tech-Behörden bekämpfen.

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Kommentar von Mierer |

Jede Maßnahme die den Schmuggel reduzieren könnte sollte man positiv sehen.
Sicher, es könnte wiedereinmal an der guten deutschen Bürokratie scheitern. Aber hoffen wir mal, daß dies nicht geschieht!
E. Mierer

Kommentar von exo555 |

Wenn die Tabaksteuer nicht so hoch wäre hätten wir garkein Schmuggelproblem und die Leute könnten gute und saubere Ware zu fairen Preisen kaufen.
Wer kann sich denn 60 Euro für eine Stange noch wirklich leisten?

Kommentar von wernerk |

Man kann mit track&trace vielleicht besser die Guten von den Bösen trennen. Aber das Schmuggelproblem wird man damit wohl kaum lösen!!!!