02.08.2016 von Jörg Julius

Öl, Gier und faule Tricks

Seit Jahren tobt ein Kampf. Fast unbemerkt in der Öffentlichkeit. Ein Kampf zwischen einem Ölgiganten und einer kleinen Region in Russland. Und es geht um Geldsummen, die dem Bruttoinlandsprodukt eines kleinen Schwellenlandes entsprechen. Zuerst fast 170 Mrd. USD, jetzt immerhin noch 22,4 Mrd. USD.

Worum geht es und womit hat alles angefangen?

Gehen wir zurück in die Neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts.

Als mit Gorbatschows Perestroika und Jelzins Machtübernahme die UDSSR zerfallen war, als der IWF Russland am langen Arm zappeln ließ sehnten sich natürlich auch die Großkonzerne dieser Welt nach einem recht fetten Stück vom großen russischen Kuchen. Russland, ein Sechstel dieser Erde und reich an Bodenschätzen fing an, enorme Teile seines Reichtum sowohl im Inland als auch im Ausland zu versilbern. Und so war es auch nicht verwunderlich, daß die Region um Wolgograd und Saratov, weit im Süd-Westen Russlands, seine leeren Kassen mit internationalen Geschäften füllen wollte - Ölgeschäfte.

Mit Hilfe eines Mannes, der schon in der deutsch-französischen Elf-Minol-Affäre auch um den Altbundeskanzler Kohl eine sehr unrühmliche Rolle gespielt hatte, wurde von Elf-Aquitaine und seinem damaligen Manager Loïk Le Floch-Prigent ein Deal mit der Regionalregierung Saratow-Wolgograd unter Einbeziehung des Russischen Präsidenten Boris Jelzin eingefädelt. Dabei ging es um die Erkundung und Ausbeutung der in dieser Russischen Region vorhandenen Erdölreserven. Guelfi hatte mit Hilfe seiner Freunde im Russischen NOK das Management des französischen Konzerns mit den Spitzen in Moskau und Wolgograd zusammengebracht. Auf Erlass von Jelzin wurde dann für diesen JointVenture eine-russische Firma mit dem Namen AO Interneft gegründet. Elf-Aquitaine seinerseits gebar hierfür extra die französische Firma „ELF Neftegaz“.

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Kopie des Dekrets des ehemaligen Russischen Präsidenten Boris Jelzin aus dem Jahr 1992

 

Von Beginn an roch diese ganze Geschichte nach Korruption und Vetternwirtschaft. Trotz rechtlicher Vorschriften gab es nie eine Ausschreibung.

Per Jelzin-Dekret wurde dann an beide Firmen die Konzession für eine gemeinsame Erkundung und Ausbeutung der regionalen Ölfelder übergeben und das weitere Vorgehen in einem Vertrag zwischen diesen Firmen besiegelt.

Monsieur Guelfi, der Mann, der dies alles erst ermöglicht hatte, ist Korse aber in Marokko geboren, ehemaliger Mitarbeiter des französischen Geheimdienstes, ehemaliger (nicht sehr erfolgreicher) Rennfahrer der Formel 1 und bekannt geworden als „Dede – Le Sardine“ wegen seines großen Geschäftserfolges mit dem Fang und der Verarbeitung von Sardinen. Guelfi – eine schillernde Persönlichkeit, bestens befreundet mit Antonio Samaranch, den er zum IOC-Präsidenten machte, eng befreundet und geschäftlich verbunden mit Herrn Dassler. Mit dessen Hilfe und ADIDAS – Geldern steuerte er gezielt die Vergabe der Austragungsorte der Olympischen Spiele.

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Andrè Guelfi im Jahr 1958

 

Guelfi hatte bereits vor den Olympischen Spielen 1980 im Moskau hervorragende Beziehungen zu höchsten sowjetischen Politikern und Sportfunktionären, und später auch zum Russischen Präsidenten Boris Jelzin. Man nannte Guelfi den Meister der Bestechung und ihm war kein Weg zu weit (meist in Privat- oder Firmenjet), um Geld an den richtigen Stellen abzugeben. Westafrika, Usbekistan, Argentinien – wo immer Geld die Dinge ändern konnte war Guelfi da. Und er ließ sich seine Dienste gut bezahlen. Allein seine Provisionsforderungen für den Deal zwischen ELF-Aquitaine und Minol in Deutschland beliefen sich auf mehr als 100 Mio. DM.

Doch wie ging es damals geschäftlich weiter zwischen der Russischen Region Wolgograd/Saratow und dem Französischen Konzern ELF-Aquitaine?

1993 verließ Mr. Loïk Le Floch-Prigent die Firma ELF-Aquitaine als CEO und der neue Mann an der Spitze, Philippe Jaffré, zeigte keinerlei Interesse an diesem speziellen Russlandgeschäft. Somit wurde der Vertrag nie in die Tat umgesetzt und die Saratov-Ölfelder wurden nie angetastet. Die extra hierfür in Frankreich gegründete Firma „ELF Neftegaz“ existiert bereits nicht mehr.

Andre Guelfi bestand jedoch auf seine Provisionen. Diese, so hatte er seinen Freunden im Russischen Nationalen Olympischen Komitee versprochen, wolle er gern mit ihnen teilen. Der Vertrag zwischen ELF-Aquitaine und Wolgograd zur gemeinsamen Nutzung der Erdöllagerstätten enthielt außerdem noch eine Klausel, die dem Russischen NOK einen Gewinnanteil von drei Prozent sicherte.

Somit verklagte Guelfi, vertreten durch seine Panama-Firma Blue Rapid und natürlich mit der Unterstützung des Russischen Nationalen Olympischen Komitees, Elf-Aquitain auf die Zahlung der vereinbarten Gelder. Die Gesamtsumme aus dem Vertrag mit der russischen Firma OA „Interneft“, die nun zur Verhandlung stand und sich aus den entgangenen Gewinn rekrutierte, belief sich auf die gigantische Zahl von 170.000.000.000 USD. Dies entspricht ungefähr den gesamten jährlichen Staatseinnahmen von Kanada oder vom Königreich Saudi-Arabien! Natürlich bestand Guelfi auf Zahlung seiner entgangenen Provision plus einer zusätzlichen Entschädigung in Gesamthöhe von 2,5 Mrd. Euro.

Mit Unterbrechungen ziehen sich diese verschiedenen Klagen bereits über einen Zeitraum von 17 Jahren.

Gegenseitige Vorwürfe (Verschwörung, Bestechung...), kleine Staatsaffären (Durchsuchung von Büros und Wohnungen von französischen Richtern und Rechtsanwälten) sind Gang und Gebe und viele Rechtsanwälte verdienen enorme Summen an diesem Streit.

Mittlerweile sind mehr als 10 Mio. Euro allein für Honorare an teure und berühmte Rechtsanwälte und-firmen wie u.a. Dr. Reiner, Thierry Herzog, Pardo, Penlaw oder Cabinet Mallet nach Österreich, Frankreich, England und Schweden überwiesen worden.

Derzeit befindet sich die Klage vor einem Schwedischen Schiedsgericht unter Verantwortung der Stockholmer Handelskammer.

Am 28. Juni 2016 ist M. Andrè Guelfi im Alter von 97 Jahren verstorben. Seine Rechte an den alten Verträgen hatte er jedoch seiner gut aufgestellten Struktur Panamaischer und Karibischer (BVI) Offshore-Gesellschaften übertragen. Und wir dürfen sicher sein, dass Familienmitglieder, im Verbund mit bekannten Rechtsanwälten, die Forderungen aufrecht erhalten werden.

Man darf gespannt sein, wie sich die Schlammschlacht weiterentwickelt.



 

 

 

 

 

 

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