08.04.2016 von Julius

Panama Papers

Panama Papers

Warum offshore-Firmen systematisch sind

 

Als Unterstützer des ICIJ haben wir uns sehr über die Veröffentlichungen im Zuge der „Panama Papers“ gefreut. thinkstep. begrüßt die Offenlegung der Dokumente aus der Kanzlei Mossack Fonseca.

tl_files/content/mossack fonseca headquarter in Panama.jpeg

Mossack & Fonseca in Panama

Es ist, nach WikiLeaks, Mr. Snowden und Offshore – Leaks ein erneuter Beweis, daß durch journalistische Akribie auch kritische Dinge aus dem Verborgenen ans Licht gebracht werden können.

Schade ist jedoch, daß nur ganz geringe Teile des durch einen anonymen Whistleblower zur Verfügung gestellten Materials veröffentlicht wurde (bisher?).

Hier muß sich ICIJ schon die Frage gefallen lassen, woher das Datenmaterial wirklich stammt und vor allem, wer die Recherchearbeit mitfinanziert hat (USAID und OCCRP- ebenfalls USAID finanziert).

Auffallend ist der Fakt, daß nur wenige US-Bürger in dem Material zu finden sind. Wurde hier zensiert?

 

Aber nun zum Thema:

 

Ein Vermögen von weltweit 21 bis 32 Billionen US$ befindet sich unversteuert oder nur gering versteuert in sogenannten „secrecy jurisdictions“, ein anderer Begriff für Steueroasen. Dies schätzt das Tax Justice Network (TJN – internationales Netzwerk Steuergerechtigkeit). Diese Fachleute berechneten auch, dass jährlich ca. 1 bis 1,6 Billionen US$ als illegal transferierte Gelder die Ländergrenzen überschreiten und sich so dem Zugriff nationaler Finanzbehörden entziehen.

Seit November des vorigen Jahres berechnet das TJN einen sogenannten Financial Secrecy Index (siehe link dazu).

Erstaunlicherweise rangiert auf dieser Scala die USA nach der Schweiz und Hong Kong bereits auf dem dritten Platz. Aber auch Deutschland finden wir in diesem Ranking verzeichnet, nur wenig dahinter auf Platz 8. Und beide Staaten rangieren noch vor Panama, welches wir auf dem 13. Platz sehen. Das Vereinigte Königreich von Großbritannien rangiert übrigens auf der 15. Position, allerdings versehen mit der Anmerkung, daß, wenn man alle Britischen Überseegebiete (z.B. die British Virgin Islands) mit einberechnen würde, Großbritannien sich auf den ersten Platz wiederfinden würde.

Es hilft uns also überhaupt nicht, mit dem erhobenen Finger auf Panama zu weisen. 

Der afrikanische Kontinent hat lt. TJN seit 1970 mehr als 1 Billion US$ durch Kapitalflucht verloren, während die gesamte Aussenverschuldung Afrikas knapp 200 Milliarden US$ beträgt. Global-ökonomisch betrachtet ist Afrika somit eines der größten Kreditgeber der Welt!

 

Ein großer deutscher, DAX-indizierter und weltweit tätiger Konzern, so haben unsere Recherchen ergeben, hält allein in Delaware, eines der amerikanischen Steueroasen, 163 Tochterunternehmen. Und die meisten finden wir an ein und der selben Adresse, einem Bürogebäude, 1201 North Market Street in Wilmington, am schönen Delaware River.

Und dies dürfte auch für die deutschen Behörden kein unbekannter Fakt sein. Es ist ja völlig legal!

 

Die Frage, die wir uns also alle stellen müßen, ist nicht die Frage nach Wer? Was? Und vielleicht Wieviel?

 

Die wichtigste Frage ist: Warum derartige Dinge wie in Panama, Delaware oder den BVI passieren?

 

Was Kriminelle, wie Drogenhändler, Fälscher, Warlords und viele andere ähnlicher Couleur bewegt, über geheime Offshore-Unternehmen ihre Geldflüsse zu kaschieren dürfte jedem klar sein.

Aber was treibt Manager, Firmeneigner, Politiker aber auch „ganz normale“ Reiche an, ihre Assets, die vielleicht nicht immer gerecht, aber zumindest doch legal erwirtschaftet worden sind, zu verbergen?

 

Immer wieder hören wir Begriffe wie „Solidargesellschaft“, „Steuerehrlichkeit“ oder wie hieß es früher so bildhaft schön „Wir sitzen alle im selben Boot!“.

 

Wenn wir jedoch hinter die Kulissen schauen, dann meinen (vor allem) Vermögende, daß es ungerecht wäre, wenn ihr Anteil am Steueraufkommen höher wäre. Und dies obwohl ihr Anteil am Gesellschaftsvermögen und am gesellschaftlichen Gesamteinkommen um Größenordnungen jenem der meisten anderen Mitglieder der Gesellschaft übertrifft.

Statistische Zahlen für Deutschland zeigen, daß ein Anteil von 10% der deutschen Bevölkerung, und zwar das oberste Dezil nach dem Einkommen, 60% des Volksvermögens besitzt. 90 Prozent teilen sich somit die restlichen 40 Prozent. Aber selbst diese Teilung ist nicht fair, denn 50% der deutschen Bevölkerung, und diesesmal die „unteren“ fünf Einkommensdezile  besitzen nur 1% (!) des Nettovermögens!

Ich weiß nicht, ob die Gier nach immer Mehr historisch bedingt ist oder in unseren Genen liegt. Fakt ist jedoch, daß diese Gier, verankert auch in den deutschen Gesetzen, unsere Gesellschaft spaltet!

Eine Meldung aus dem Statistischen Bundesamt vor nur wenigen Tagen zeigt, sicher unbeabsichtigt, mit voller Härte diese Spaltung: 4 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland haben von der Einführung eines Mindestlohns „profitiert“.

Dies heißt aber nichts anderes, als dass vier Millionen Bürger in Deutschland heute 8,50 € je Stunde verdienen aber vor dieser Regelung mit weit weniger entlohnt wurden! Die Meldung geht jedoch noch weiter: Insgesamt wurden vor der Einführung des Mindestlohns für 5,5 Millionen Arbeitsplätze Löhne UNTER 8,50 € gezahlt!

Für eine/ein Alleinerziehende(n) bedeuten diese 8,50 € Stundenlohn ein durchschnittliches Familieneinkommen, das lt. Paritätischen Wohlfahrtsverband und auch lt. dem Statistischen Bundesamt unterhalb der Armutsgrenze liegt.

Die Kinderarmutsquote liegt in Deutschland mittlerweile bei 19 Prozent! Somit lebt fast jedes fünfte Kind in Deutschland in Armut oder ist von ihr bedroht.

Diese Zahlen sollten jeden erschrecken, ob man nun aus den armen Schichten der Bevölkerung oder vom Reichtums-Olymp kommt. Denn diese Zahlen werden tiefe Spuren hinterlassen.

 

Wie schrieb Heine im Weberlied 1844 am Vorabend der bürgerlichen Revolution in Deutschland:

 

...

Ein Fluch dem König, dem König der Reichen,
Den unser Elend nicht konnte erweichen,
Der den letzten Groschen von uns erpreßt
Und uns wie Hunde erschießen läßt -
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem falschen Vaterlande,
Wo nur gedeihen Schmach und Schande,
Wo jede Blume früh geknickt,
Wo Fäulnis und Moder den Wurm erquickt -
Wir weben, wir weben!

 

Ein adäquater Anteil aller Vermögenden, aller Großkonzernen und aller Finanzgiganten wie z.B. Black Rock, an der Finanzierung unserer Gesellschaften, und ich meine nicht nur in Deutschland und Europa, sondern an der Finanzierung der Lösung der ökonomischen, sozialen, ökologischen und vor allem humanitären Probleme in der ganzen Welt wäre eine Alternative. Aber um dies zu verhindern gibt es nicht nur die bereits bestehenden einschlägigen Steuergesetze, sondern dazu auch als taktisches Mittel die Offshore-Companies!

Und kaum ein Politiker käme mir in den Sinn, wenn ich an die Umsetzung eines derartigen Programms einer Neuverteilung denke.

Außerdem sind viele Wirtschaftsfachleute, Ökonomen, Soziologen und Philosophen schon zu der Überzeugung gekommen, daß der Point of No-Return bereits überschritten ist.

 

In einer Studie des Britischen Verteidigungsministeriums aus dem Jahr 2010 heißt es auf Seite 22:

 

Economic, social and political inequality of opportunity, occurring between both individuals and groups will continue to fuel perceptions of injustice among those whose expectations are not met. This will increase tension and instability, both within and between societies and result in expressions of unrest such as disorder, violence, criminality, terrorism and insurgency. While material conditions for most people are likely to improve over the next 30 years, the gap between rich and poor is likely to increase. Absolute poverty will remain a global challenge.“

 

(„Strategic Trends Programme; Global Strategic Trends – Out to 2040“ – fourth edition, Ministry of Defence)

 

Dem möchten wir nichts hinzufügen!

« Yesmoke - die Abrechnung Organisierte Kriminalität - 3.0 »

Den Beitrag kommentieren

Wichtiger Hinweis: Kommentare werden moderiert, um die inhaltliche Qualität von Thinkstep hoch zu halten. Dadurch kann es zu Verzögerungen bei der Freischaltung kommen. Wir hoffen, Sie haben dafür Verständnis.

Kommentar von greg-ivo |

Diese Diskussion über ARM und RECIH bin ich echt müde!! Wenn jeder richtig kreativ ist und was tut, wird er auch vorankommen. Und manchmal treib ja erst das Gefälle Wasser zum Fließen an! Und wenn man sein Geld schützen will, was ist daran so schlimm?

Kommentar von Elisabeth Florian |

Liebe thinkstep-Redaktion,
ich finde Ihren Beitrag zur Panama-Diskussion sehr ausgewogen!! Auch ich seheh dies so, daß diese Auswüchse (offshore-Firmen) nur ein Ausdruck des algemeinen Verlangens nach Geld und Einfluß sind.
Die US-Amerikaner verbieten Bearer-Shares und somit muß jeder US-Amerikaner, der eine Firma mit derartigen Strukturen gründet mit Strafverfolgung rechnen!
Aber ich glaube auch, daß, selbst wenn man offshore-Firmen wirklich beseitigen könnte, dieses Problem weiterhin bestehen wird. Das Geld wird sich einfach neue Wege suchen.
Ich wünsche mir, daß wir unseren Kindern einfach bessere Werte als Reichtum, endloser Konsum, Macht und Verherrschaft vermitteln sollten.
E. Florian

Kommentar von Regina Förster |

Hallo thinkstep,

Ich glaube, daß Hr. Julius mit seinem Beitrag der Wahrheit schon sehr nahe kommt! Danke auch Frau/Herrn Florian. Wir haben die Pflicht unseren Kindern das Richtige zu vermitteln. Wer sich auf Medien, vielleicht sogar auf das Fernsehen oder gar das Internet verläßt ist verlassen.

Warum ist die Gier nach Reichtumg und Macht nur so groß geworden?