02.11.2010 von Jörg Julius

Mr. K

Wenn Sie denken, organisierte Kriminalität (OK) ist nur ein Phänomen in den trockenen Bergen Siziliens, den kleinen Gassen Neapels oder in den Vorstädten von Tokio oder Macau, dann irren Sie sich. Und zwar gewaltig. OK finden Sie überall in der Welt. Überall dort, wo man mit Gütern, Dienstleistungen, mit verbotenen Substanzen oder geschmuggelten Waren einen „guten Euro, einen guten Dollar machen“ kann. Und oft ist OK nicht nur die typische Form einer hässlichen Kriminalität, die, über Leichen gehend, von einem düster dreinblickenden „Don“ geführt wird und bei denen hunderte von Kleinkriminellen, Auftragsmördern oder sonstigen, dem Klischee von Mafia-Blockbustern gleichenden Personen die Geschicke ganzer Regionen bestimmen.

Per Definition ist Ok bestimmt vor allem durch das arbeitsteilige, planmäßige Zusammenwirken mehrerer Personen, in der Absicht, durch Straftaten mit erheblicher Bedeutung einen finanziellen, materiellen Vorteil zu erlangen. Dabei spielt auch die Einbeziehung gewerblicher oder geschäftlicher Strukturen und/oder die Anwendung von Gewalt und/oder die Einflussnahme auf politische und gesellschaftliche Strukturen eine wichtige Rolle.

Unser Mr. K, um den es hier und heute geht ist kein „Don“. Er steht weder einem Nebenarm der Cosa Nostra vor, noch besitzt er ein Drachen-Tattoo der vereinigten Wo in Hong Kong.

Nein, Mr. K. ist ein älterer Mann und wohnt schon seit vielen Jahren in einer deutschen Großstadt. Seine osteuropäischen Wurzeln kann man immer noch ein wenig an der Sprache erkennen. Er ist eloquent, nett und hat einen Riecher für gute Geschäfte. Und über die vielen Jahre seiner kriminellen Laufbahn konnte er mehr Kontakte im kriminellen Untergrund sammeln als die meisten anderen in seiner Branche. Wie heißt es so schön: Er kennt Gott und die Welt.

Mr. K. ist wie eine Spinne in einem (fast) unsichtbaren Netz hervorragender Verbindungen zwischen Herstellern illegaler Produkte, den Transporteuren dieser Produkte und den Vertreibern.

Wenn Du etwas brauchst (was nicht legal ist) dann geh zu Mr. K. Hast Du etwa ein Problem mit Rohtabak zur Herstellung von gefälschten Zigaretten, dann geh zu Mr. K. Du hast genügend Tabak, aber deine illegale Zigarettenfabrik wurde letzte Woche von der Polizei beschlagnahmt? Dann geh zu Mr. K. Vielleicht nicht gleich morgen, aber spätestens in ein, zwei Wochen hast Du wieder alles zusammen und das florierende Geschäft kann weitergehen. Mr. K. macht das schon.

Aber Mr. K. ist nicht nur Versorger für die Hersteller, nein Mr. K. verdient auch an den kleinen Dingen des Lebens. Der Kaffee im Supermarkt ist zu teuer? Kein Problem für Mr. K.! Er weiß wo man weit billigeren (weil unversteuerten) Kaffee der selben Marke kaufen kann. Er beliefert den schwarzen (Super-)Markt mit tausenden Büchsen der bekannten koffeinhaltigen Limonade, die jedoch niemals die Österreichischen Werke des Herstellers von innen gesehen haben.

Fälschungen, geschmuggelte Waren, Technik für den illegalen Einsatz, Grund- und Zusatzmaterialien für illegale Produktionen, dies sind die Domänen des Mr. K.

Und Mr. K. nimmt alles mit. Das kleine Geschäft mit 5 Tonnen Rohtabak, das am Ende vielleicht 5 oder 10 Tausend Euro Gewinn abwirft, oder zwei Container voll geschmuggelter Zigaretten aus dem Hafen von Port Said, natürlich offiziell als Gartenmöbel nach Deutschland importiert, die ihm fast 600.000 € Gewinn einbringen.

Mr. K. organisiert seine Geschäfte schon lange, sehr sicher und sehr clever. Und tief verborgen. Denn eigentlich hört man nichts von ihm, man sieht nichts von seinen Aktivitäten in den Medien. Keine spektakulären Nachrichten über Bandenkrieg, Mord und Bestechung, kein Geldwäscheskandal.

Mr. K. und OK? Das passt doch nicht, oder?

Und trotzdem können wir Mr. K. als Geist an vielen Stellen unseres täglichen Lebens spüren. Im Fußballstadion, wenn nach dem Spiel hunderte, ja tausende von Schachtel geschmuggelter Zigaretten auf den Traversen gefunden werden. Beim Kaffeekränzchen von Tante Liesel, wo der Duft des unversteuerten Kaffees durch die Stube zieht oder vielleicht auch im Club nebenan, am Samstag, wenn ein Gemisch aus Wodka und der koffeinhaltigen Limonade die Stimmung der jungen Leute auflockern soll.

Ach so, den Wodka hat übrigens auch Mr. K. geliefert.

jj.

 

PS:

Sicherlich ist es schwer, Kriminelle wie Mr. K. zu stellen und für ihre Taten verantwortlich zu machen. Aufwendige Strukturermittlungen, die sich oft über Monate und Jahre hinziehen sind notwendig. Kaum ein Staatsanwalt hat das so richtig Lust, die Sache zu übernehmen.

Aber Leute wie Mr. K. stören den gesellschaftlichen Frieden, weil sie (natürlich) keine Steuern zahlen auf ihre illegalen Geschäfte und weil sie mit unkontrollierten, un-überwachten Produkten auch die Gesundheit von Menschen gefährden.

Und Mr. K. ist nicht allein.

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