24.11.2016 von Jörg Julius

Dunkle Kanäle

Neuer Fall von massenhafter Fälschung elektronischer Komponenten

Die Liechtensteinische Firma Neutrik stellt seit mehr als 35 Jahren hochwertige Steckverbinder für Veranstaltungstechnik, Medien und die Industrie her. Die Schaaner Firma ist Marktführer und seine Produkte bilden den qualitativ hohen Standard bei Audio, Video aber auch bei Datenübertragungen per Lichtwellenleiter oder etherCon.

Bei wohl jeder Fernsehübertragung, großen Musikevents oder selbst bei der Formel 1 sind die Steckverbinder von Neutrik dabei.

In den letzten Jahren hat das Unternehmen jedoch wie auch so viele andere mit einer starken „Konkurrenz“ aus dem Untergrund zu tun. Kleinere aber auch größere Firmen vor allem aus dem Fernen Osten kopieren nicht nur einen Großteil der Neutrik-Produkte, nein sie fälschen diese ganz unverhohlen und bringend somit minderwertigen Resultate als Originalprodukt auf dubiosen Wegen in den allgemeinen Warenverkehr.

Der geringe Preis dieser illegalen Angebote verlockt den einen oder anderen Kunden, diese Waren als günstige Alternative zu kaufen. Dies betrifft nicht nur Endverbraucher. Auch Großhändler in verschiedenen Ländern scheinen dieser Versuchung zu unterlegen.

So konnten ein Elektronikgroßhändler (*1) aus Mexiko als potentieller Vertreiber dieser minderqualitativen Ware aus Chinesischen Lieferungen identifiziert werden. Tausende und abertausende von nachgeahmten Steckern und Buchsen vom Typ XLR sind mittlerweile per Schiff über US-amerikanische Häfen nach Mexiko gelangt. Hier werden diese dann über die Elektronik-Shops oder per Internet verkauft.

Ein weiterer großer Markt für hauptsächlich gefälschte Audio- und Videosteckverbindungen besteht in Thailand und über seine Grenzen hinaus. Hier verschafft sich ein clever agierender Internethändler einen großen Markt mit seinen, sowohl vom Preis als auch von der Qualität her, illegalen und unfairen Billigprodukten. Hauptsächlich per Onlinehandel versenden die Mitarbeiter dieses Händlers die Ware im Asiatischen Raum. Mittlerweile scheinen aber auch europäische Kunden diese Waren zu ordern.

Firmen, wie die Neutrik AG, leidet dadurch nicht nur unter einem Umsatzverlust sondern, und dies ist noch viel gravierender, vor allem wegen der schlechten Qualität dieser Plagiate auch unter einen Imageverlust.

Obwohl wir in verschiedenen Diskussionsforen und auch in Chatrooms immer wieder Warnungen vor diesen Produkten feststellen konnten, schein das Geschäft jedoch prächtig zu florieren.

So schrieb ein wohl frustrierter User 2014 in einem Technikforum für Musik:

„Wer schon jemals während eines Konzerts einen abgebrochenen, in China gefälschten Mikrofonstecker aus einer Buchse polken musste, verzichtet in Zukunft auf billige Angebote! Lasst bloß die Finger weg von solchen Misst!“

Der Einsatz gefälschter Technikkomponenten hat jedoch noch eine viel gefährlichere Seite. Da durch die Fälscher auf die illegalen Produkte auch das CE-Zeichen geprägt worden ist, soll die Freiverkehrsfähigkeit der illegalen Ware innerhalb der EU garantiert sein. Viele der vorgeschriebenen Sicherheitsstandards und Normen werden durch diese Produkte aber nicht eingehalten. Eine Untersuchung hat gezeigt, dass es neben einer mangelnden Übertragungsqualität somit auch sehr gefährlich sein kann, wenn mechanische vor allem aber elektrische/elektronische Parameter nicht dem Original und den Vorschriften entsprechen (z.B. Spannungs- und Überspannungssicherheit). Dies kann dann leicht zu erheblichen Gefährdungen für alle Beteiligte, ob nun Künstler oder Techniker, führen.

Wo kommen aber diese Waren her?

In Zusammenarbeit mit einigen Kollegen in Thailand haben wir versucht, die lange und nebulöse Lieferkette bis hin zum Produzenten offen zu legen.Ausgangspunkt war dabei das unverhohlene Angebot für günstige Steckverbinder der Firma Neutrik (siehe Bild 1).Über die Social Network Plattform Facebook offeriert hier der Thailändische Händler seine Produkte als Originale. Mittlerweile findet man diese Angebote auch in Englischer Sprache.

facebook site of the Thai seller of faked goods

Bild 1: Das offene Anbieten gefälschter Waren als Originalprodukte (Name des Anbieters geschwärzt – liegt dem Autor vor;  Quelle: Facebook)

In diesem Fall wurde dem Angebot ein Foto der gefälschten Ware beigefügt. Natürlich ist das abgebildete Produkt nicht sofort als Fälschung, vor allem von Laien, zu erkennen.  Die Preise der so angebotenen Waren lagen im Schnitt um 50 bis 77 Prozent unter den marktüblichen.

Über die Facebook-Seite konnte man als potentieller Kunde per Link zum Onlineshop gelangen, um hier dann seine Bestellung auszulösen. Die Bezahlung erfolgt nun per Onlineüberweisung (sehr gern auch per Kreditkarte) oder einem anderen, modernen Zahlsystem (z.B. paypal). Bereits nach wenigen Tagen erreichte die Ware dann meinen Kollegen in Bangkok.

Erstaunt waren wir über die Postsendung selber. Nicht etwa die offizielle Adresse des Händlers war auf dem Paket als Versender verzeichnet. Es handelte sich um die Adresse eines von sehr vielen Kunden genutzten Lagerhauses außerhalb der Stadt Si Suk, Udon Thani, in einem Industriegebiet.

Auch so wurde eine direkte Nachverfolgung der Ware hin zum Händler behindert, was die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden zusätzlich erschwert.

Wir bezahlten die georderte Ware per Überweisung auf ein Bankkonto in Thailand. Dieses Konto gehörte einem Mr. N. P., der, wie sich später herausstellte, gar nichts mit den illegalen Transaktionen zu tun hatte. Der Händler in Thailand konnte schnell identifiziert werden. Es gelang uns sogar einen seiner Mitarbeiter beim Versenden illegaler Produkte per Paketdienst zu beobachten (Foto 2 und 3).

Foto 2 und Foto 3:  Ein Mitarbeiter (Mann im Vordergrund) des illegalen Händlers in Thailand in der Postfiliale Wang Wiset beim Versand der gefälschten Produkte. In den oberen braunen Paketen befanden sich u.a. hunderte der gefälschten Neutrik-Steckverbinder mit Zieladressen in Polen und Thailand. (Foto: EMS)

Wir hatten mit diesem Großhändler ein wichtiges Glied in der Lieferkette identifiziert. Die Quelle der falschen Stecker blieb jedoch nach wie vor im Dunkeln.

Nach der Auswertung der Importe von Audiokabeln und -steckverbindern aus der VR China des bereits erwähnten Mexikanischen Groß- und Einzelhändlers und der Vergleichsanalyse der in Mexiko und Thailand gekauften XLR-Steckverbinder konnte eindeutig nachgewiesen werden, daß diese gefälschten Produkte aus einer einzigen Quelle in China stammen mußten. In den Fokus unserer Recherchen rückte dabei ein Produzent aus Ningbo, eine der vielen Millionenstädte in China, südlich von Shaghai in der Provinz Zhejiang.

Als wir uns diesen Produzenten näher anschauten, stellten wir fest, daß seine Produkte, und nicht nur XLR-Steckverbinder, über viele bekannte Großhandelsplattformen (u.a. made-in-china.com oder alibaba.com) angeboten wurden.

Meist nur als XLR-Connector beschrieben, tauchte auch manchmal das Schlagwort „Neutrik-Style“ auf. Auf made-in-china.com wurde aber auch unverhohlen die Ware als Neutrik-Produkt angeboten.

Bild 2

Angebot aud made-in-china.com einer Herstellerfirma aus Ningbo, China. Deutlich wird mit dem Namen NEUTRIK die Ware beworben (Quelle: www.made-in-china.com)

Die georderten Waren hatten auch alle dann die typische Neutrik-Kennzeichnung als Prägung auf den Steckern:

Bild 3 - Die NEUTRIK-Prägungen sind deutlich auf den gefälschten Steckern zu erkennen

 

Der Preis der angebotenen Fälschung lag bei 0,36 US$ pro Stück (bei einer Mindestorder von 500 Steckern). Das Originalprodukt wird in Europa und den USA im Einzelhandel zu einem Preis von ca. 3 US$ gehandelt. Damit liegt die Gewinnspann eines potentiellen und skrupellosen Großhändlers, selbst bei einem Einzelhandelspreis von unter 2 US$ je Stück, im Rahmen von 500 Prozent!

Erstaunlich ist die Tatsache, daß eine weitere Chinesische Firma diese Produkte auf identischen Trader-Plattformen anbietet. Es scheint hier wohl eine erfolgsträchtige Zusammenarbeit verschiedener Unternehmen vor Ort vorzuliegen.

Von keinen der hier angesprochen Firmen haben wir eine Antwort auf eine Interviewanfrage erhalten. Es wurden uns auch keine Statements seitens des Managements dieser Firmen zu unseren Vorwürfen zugesandt.

Auch die angebotenen Produkte sind nicht auf den jeweiligen Webseiten gelöscht worden. Das Geschäft mit den Fakes geht also munter weiter.

jj.

 

(*1) Firma und Adresse liegen der Redaktion vor, werden aber aus rechtlichen Gründen hier nicht genannt

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